Wir sind jetzt schon mehr als eine Woche auf noch unerforschtem Land. Es ist immer noch schwer wahrzunehmen, dass die Sonne im Norden ihren höchsten Punkt erreicht, täglich einen weiten Bogen vertikal über unsere Köpfe zieht, der Mond in der Nacht auf dem Rücken liegt und ich hier den großen Wagen vergeblich im Sternenhimmel suche. Das Gewässer, dass ich in der Ferne beobachte ist tatsächlich der Indische Ozean und die Heimat 7000 Kilometer entfernt.
Es ist ein noch ein inneres Ringen zwischen Misstrauen und vollkommenem Genuss. Wir sind gekommen, um zu helfen, um für andere dar zu sein, um das Leben der anderen zu verstehen und das eigene Leben schätzen zu lernen, dabei begegnet man den meisten leider mit einem leichtem Gefühl von Misstrauen. Als Wazungu werden wir belächelt und jeder startet den Versuch uns über den Tisch zu ziehen. Im Dala Dala will der Schaffner ein paar Hundert mehr, der Bajajfahrer nimmt dich nur für 5000 Shilling mit, statt den eigentlichen 2000 und die Eisverkäufer verstehen erst nach dem vierten Mal, dass man wirklich kein Eis will. Beim Joggen werden die Schuhe gemustert mit dem Gedanken, ob man nicht ein paar neue Laufschuhe braucht. Bei Abenddämmerung wird am Fischerstrand versucht uns hinter ein Boot zu locken, um wer weiß was von uns in Besitz zu nehmen. Ignorierend entgehen wir dieser unangenehmen Situation. Für einen intensiven Blick wird jede Unterhaltung unterbrochen und unverständliches Gemurmel geht in leichtes Gelächter über...
Hakuna Matata – eine völlig gelassene, sorglose Welt wirkt dem entgegen. Eine junge Dame bietet mir freundlich ihren Sitzplatz im Dala Dala an, da sie merkt, dass ich eine Kopflänge zu groß geraten bin. Lächelnd freuen sich die Insassen, dass ich auf ihrer Sprache dankend ablehne und informieren sich interessiert, warum wir uns ihrer Welt hingeben. Mit Witz und Tiefgang unterhalten wir uns über Gott und die Welt. In der gemeinsamen Liebe zu Jesus findet man gelegentlich dann vollkommene Verbundenheit. Jede Unterhaltung endet mit einer persönlichen Einladung zu sich nachhause, jeder will weiteren Kontakt halten und Nummern werden ausgetauscht. Im Gottesdienst werden wir stets als „most welcomed guests“ begrüßt. Der gleichnamige Bajajfahrer Paolo macht einen angemessenen Preis und überlässt mir das Steuer für die ganze Fahrt. Hupend grüße ich die Leute am Straßenrand, die das Bild eines weißen Bajajfahrers verarbeiten müssen. Am Strand rufen dich Fremde zum Fußballspielen und nach dem ersten Tor, an dem du mit beteiligt bist, werden kurz Namen nach einem netten Handschlag ausgetauscht und man freut sich über den gemeinsamen Erfolg.
Man trifft ständig auf Menschen, die es verstehen zu leben in einer Welt, in der es so viel zerstörtes Leben gibt. Der volle Genuss der Nähe zu diesen Menschen lässt Misstrauen allmählich schwinden und starkes Verlangen jedem in Liebe zu begegnen, wächst.
Ich gewöhne mich an die lange Hose in der Hitze, vertrage das Essen sehr gut und kämpfe heroisch gegen die Mücken. Mit Freude erfüllt tanzen Philipp und ich zu afrikanischer Musik in den Abend hinein.
Von der wilden Fauna Afrikas habe ich noch nicht allzu viel zu sehen bekommen, abgesehen von der Pantherschildkröte in der Shamba und den täglich grüßenden Hausgeckos.
Frederic Chopin, bekannte Tanzmusik am Imbissstand, der Mond, die Musik auf meinem Ipod und ein liebevoll gestaltetes Erinnerungsbuch, lassen mich immer wieder an mich Liebende denken und Sehnsucht nach vertrautem Lachen schleicht sich ein. Tiefe Liebe verspüre ich für Freunde und Familie, die hoffentlich glücklich die Heimat genießen.
Ich bin nicht alleine. Ich schöpfe Kraft in Gott, der mir Zuflucht und Schutz ist. Ich spüre Seine Liebe, Sein Lächeln, Seine Nähe, Seine Fürsorge und die Freude darüber, dass ich Schritte in Seine Richtung unternehme.