Dienstag, 7. August 2012

Lazerus

Es ist mir oft durch den Kopf gegangen, wie es ist zurück zu kehren, nachdem man ein Jahr lang in verkehrter Welt gelebt hat. Ich trete aus dem Flugzeug heraus, die Temperatur ist mild und ich berühre deutschen Boden. Ich weiß, am Ausgang warten Vertraute und ich nehme jeden Schritt bedacht und langsam, um innere Ruhe zu finden. Ich nehme mein Gepäck und Blicke treffen sich von mir und sehnsüchtig Wartenden. Wortlos fallen sie mir in die Arme und ich kann nichts, von allem, wirklich fassen. Habe ich erlebt, was ich erlebt habe, liegt wirklich ein Jahr voller Entdeckungen, Abenteuer und Kämpfe zwischen mir und mich Liebenden? Erwachen aus einem Traum, Wirklichkeit schockt. Alles ist perfekt, makellos sauber und schön. Die Bedienung im Cafe ist schnell und keiner bemerkt dich, weil du weiß bist. Keiner grüßt und interessiert sich warum du mit so großem Taschen, so dreckigen Füßen und seltsamen Schlappen durch die Gegend schlenderst - eine bunte Welt, in der alles normal ist. Teure Autos brettern über die Straßen, Autofahren hat System, Straßen ohne Schlaglöcher und alles funktioniert. Alles scheint vergoldet im Vergleich zu der Wirklichkeit aus der ich gerade so schwer Abschied genommen habe. Alles wirkt wie ein Traum, wo ich in utopische Welt versetzt wurde. Kann ein Herz aus Gold wirklich schlagen, leben?
Keiner hat wirtschaftliche Not, alles ist in Wohlstand eingetaucht, jeder ist reich und leistet sich Luxus und gönnt sich Erholung in Freizeit. Wer so hart gearbeitet hat, so lange gelernt hat, so harte Vergangenheit überstanden hat, hat all dies verdient. All der Wohlstand ist uns nicht in die Arme gefallen. Aus kriegerischen Trümmern sind wir gewachsen, haben Wissen praktiziert und arbeiten sorgfältig, genau und gut. All das Luxusleben ist das Resultat harter Arbeit. Armut wurde durch Fleiß vertrieben. Der Tisch ist reich gedeckt und das man Zugang zu Strom, Wasser und Nahrung hat ist selbstverständlich. Da all die Sorge ums Überleben durch Geld genommen ist, darf es um Dinge gehen, die nicht so wichtig sind zum Leben. Man darf gut aussehen, sich teuer kleiden, gutes, teures, exotisches Essen genießen, Kultur ausleben, Nichtstun genießen und Freizeitaktivitäten nachgehen. Wer lange gearbeitet hat, darf sich auch mal zurück lehnen.

Doch afrikanischer Lazerus liegt vor der Tür und bettelt, bekommt die Wunden von den Hunden geleckt und ernährt sich von den Brotkrummen des wohlverdienenden Reichen. In 50 Jahren Freiheit streiten sich korrupte Verbrecher um Regierungspositionen, um sich an den Brotresten der Reichen als erstes satt zu fressen und sich selbst als großer Retter zu präsentieren, während sie sich an europäischem Wohlstand ergötzen und Entwicklungsgelder in eigene Taschen fließen lassen. Afrika hält sich demütig zurück, schlägt sich laufend, Wasser schleppend durchs Leben und meint bescheiden, dass ein Einzelner nicht viel vollbringen kann. Völlig erschöpft kämpfen sie für das tägliche Brot, um Familie in ihrer Blechhütte nicht verkommen zu lassen. Wissen fehlt, Fleiß wird nicht aufgebracht um sich selbst auf die Beine zu kriegen und sich in den Wohlstand zu schießen. Sie wurden von reichen Weißen ausgelutscht und Abhängigkeit von westlicher Welt wird durch Entwicklungsgelder stramm gehalten. Doch sie stehen nicht auf und entwickeln sich aus sich selbst heraus. Sie riskieren nichts den eigenen Start und bleiben lieber an der Eingangspforte und betteln nach Brotkrumen. Es ist logisch, dass sie in Armut verkommen und wer nicht investiert, kann auch nicht erwarten und Wohlstand und Reichtum nicht verdienen. Logisch gesehen leben sie nach ihrem Verdienst. Ein tansanischer Journalist hat einen Gedankengang aufgeführt, bei dem er sich einen Ländertausch vorstellt. Setze alle Tansaner nach Deutschland und alle Deutschen nach Tansania. In wenigen Jahren würden die gebildeten Deutschen das Land voll zu ihrem nutzen ausgeschöpft haben und den großen Reichtum des Landes bis hun zum Genuss des Lebens verarbeitet haben. Deutschland wäre nach nicht langer Zeit völlig verbraucht und irgendwann nicht mehr richtig funktionsfähig. Das Fehlen von Wartungsarbeiten, das Fehlen von Arbeiten und der Blick zu den Weißen würde schon bald den reich gekleideten Lazerus, der gut gegessen hat zu einem in den Süden, zu den in Tansania lebenden Weißen, gerichteten Bettelnden machen. Gerecht ist dieses Schicksal. Deutschland hat ein Recht auf hart verdienten Reichtum und Afrika besitzt nur wenig.

Doch dürfen wir all dem Leid, dem Sterben einfach so den Rücken kehren? Was braucht diese Welt, um diesen sterbenden Teil zu retten? Ich mache einen Aufruf zur "Ungerechtigkeit", zur nicht logischen Tat. Es ist nicht gerecht, dass sich der Reiche aus seinem wohlverdienten Palast begibt und sich zu dem Lazerus setzt und ihm zuhört, ihn kennen lernt, sich ihm zum Freund macht und ihn auf seine Kosten leben lässt. Es ist nicht gerecht, dass jemand von deiner Ernte isst, wenn er dir die ganze Zeit beim Pflügen und Säen nur zugeschaut hat. Doch Tatsache ist, dass die Ernte groß ist, dass sie für alle reicht und unseren vielleicht faulen oder eher aus Unwissenheit Nichtstuenden vor dem Sterben bewahrt. Ein Sohn verdient das Taschengeld seines Vaters nicht und hat kein Recht auf sein eigenes Zimmer, weil es nicht sein Verdienst, sondern der, des Vaters war. Wie viel weniger verdient ein Fremder, der sich kämpfend durchs Leben hungert. Es ist ein Aufruf zur unverdienten Gnade, ein Wegblicken vom eigenen Recht, ein Zurückstecken eigener Bedürfnisse und zur bedingungslosen Liebe

Welch erschreckende Wirklichkeit sich auf dieser Welt abspielt, doch wer lebt wirklich und wer umschmückt nur den Tod? Lazerus hat Hoffnung und stützt sich auf einen Gott und lebt mit ihm. Was anderes gibt wirkliche Freiheit auch über Tod?