Dienstag, 4. Dezember 2012

lions and me.




Ich fahre durch den Nebel in die Nacht, auf dem Weg nach Hause vom Frankfurter Flughafen, und ich wünsche mir endlich Klarsicht. 

Ich habe gerade mein Mädchen genau an dem Gate verabschiedet, das ich vor einem Jahr selbst passiert habe, um einer neuen, fremden Welt entgegen zu fliegen. Ich erinnere mich an den Tag der Abreise noch wie gestern. Völlig gespannt saugte ich die prachtvolle Landschaft der Hocheifel, auf dem Weg zum Flughafen, noch ein letztes Mal voll auf und fragte mich, wie es wohl sein wird nach einem Jahr „Leben in Afrika“ gleiche Strecke in die Heimat zu unternehmen. 

Was werde ich fühlen, was werde ich in mir tragen, wer werde ich sein? 

Fragen, die mich beschäftigten - Fragen, deren Antworten ich nicht ganz erfassen kann, doch ein Versuch ist mit diesem Schreiben gestartet.

Heute schreibe ich, weil ich nicht mehr schweigen will. Ich will wagen, auszusprechen und mich noch ein Mal verletzlich machen. Heute will ich ehrlich sein. Ich will die Möglichkeit geben, mich zu verstehen und teile mein Herz in der Hoffnung, dass jedes enttäuschte Herz Frieden findet.

Löwen und ich. Ich gebe diesem Blog einen Punkt. Heute, schreibe ich die letzten Zeilen unter diesem Titel.

An einem der letzten Abende vor meiner Abreise nach Afrika, saß ich mit Tim vor dem Bildschirm des Laptops und tippte, eigentlich aus einem Impuls heraus, den Titel „lions and me“ für meinen in diesem Moment geschaffenen Blog, über den ich mich immer wieder befreite. Was zuerst nur ein nicht gut durchdachter Einfall war, ist mir nun tiefste Seelenbeschreibung.

Drei Tage durchstreiften wir bereits die Serengeti, das Herz Afrikas und begegneten einer Tierwelt, die in keinem Teil der Welt reicher ist. Gnus, Zebras, Gazellen, Giraffen, Warzenschweine, Elefanten, Bullen, Geparde, Leoparden, Nilpferde, Affen und viele weitere Wildtiere passieren wir mit unserem Safariauto. Scheu blicken alle Tiere dem herannahenden Auto entgegen und reagieren stets furchterfüllt und suchen nicht selten das Weite. Doch von Weitem bemerken wir ihr Kommen. Wir schalten den Motor aus und blicken gespannt in ihre Richtung. Langsam trabt der junge Löwe aus dem hohen Gras auf uns zu. Sein kleines Rudel, folgt ihm gemächlich. Meine Kamera läuft auf Hochtouren und ich versuche dieses Schauspiel in allen Perspektiven zu erfassen. Ohne Angst kommt der Löwe dem Auto immer näher und setzt sich schließlich in den Schatten des vorderen Fahrzeuges. Ich sitze im Safariauto und blicke durch die Frontscheibe, vorbei an dem Jesuskreuz, das am Rückspiegel hängt und kann meinen Blick nicht vom Löwen wenden, der sich schnaufend erholt. Ich habe sein Humpeln und die Fleischwunde an seinem Rücken früh bemerkt und so majestätisch er auch schien, hatte er doch so etwas Bemitleidenswertes. Der Löwe, König der Tiere, majestätischer als alle anderen und alleine so furchtlos, wird mir zum Lamm. Ich werde immer wieder gefragt, was so die schönsten oder intensivsten Momente für mich waren. Ich kann diese Frage immer nur schwer beantworten, doch die Begegnung, die ich mit diesem Löwen hatte und der Moment, wo sich unsere Blicke für einen Augenblick getroffen haben, hat etwas in mir bewegt und mir Tränen bereitet, die ich mir bis jetzt nicht ganz erklären kann.


Ich machte mich auf in ein Land der Löwen. Alles was ich war, stellte ich dem entgegen. Brüllend wurde ich von diesem fremden Kontinent begrüßt. Das Fremde knirschte mit den Zähnen, während neue Sprache, dauerhafte Hitze, Krankheit, Sinnlosigkeit, Selbstgerechtigkeit, Faulheit, Zauberei, Einsamkeit, Eintönigkeit, Unzufriedenheit, Mangel an Freundschaft und ein paar weitere Löwen das Rudel füllten und mich jeden Tag aufs Neue umgaben. Jedes Problem, jede Herausforderung begegnet mir so furchtlos und respektlos wie der Löwe. Ich ringe mit Löwen - meine Welt gefüllt mit Löwen – und ich. Wer bin ich bei all diesen Löwen, wo bin ich und wo finde ich mich? In dieser Welt geht es um Löwen und mich – lions and me.

Unter all den Löwen des afrikanischen Alltags, machte ich eine alles verändernde Entdeckung –

Ich bin nicht alleine auf dieser Welt.

Ich habe mich in meinem bisherigen Leben immer so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass mir jeglicher Weitblick, weg von mir, gefehlt hat. Alles, was ich getan habe, diente mir. Mein Leben war mein Leben und groß war das Ziel der Selbstverwirklichung in einer Welt, in der sich jeder um sich selber dreht. Fern von all den Dingen, die einem im Alltag den Blick für das Wesentliche rauben, in einer Welt ohne Strom und Wasser, habe ich Menschen gesehen. Kinder ohne Eltern, Kinder, die als Baby auf die Straße gesetzt wurden, Kinder mit HIV positiv, Kinder, die unglaublich selten Liebe in ihrem Leben erfahren oder verspürt haben. Es hat mein Herz zerrissen. Auf Knien habe ich geheult und fragend stand ich vor Gott. Warum ist diese Welt so verdammt ungerecht? Was tust du eigentlich, frage ich Gott und ich spüre, wie Gott mir mit einer Frage antwortet:

Was tust du, Paul?

In einem Gleichnis Jesu geht es um Schafe und Böcke, die der Hirte voneinander scheidet und die einen lädt er ein das Reich zu erben und die anderen weist er ab von sich.

„Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.“ (Matthäus 25,35-36)

Auf die völlige Verblüfftheit beider Seiten antwortet er: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40)

Ich sah mich vor Gott stehen und ich dachte mir, was ich von ihm hören werde. Ich kann es nicht sagen, doch sicher bin ich, dass er nicht sagen wird: „Du hast nicht genug gebetet am Tag, du hast nicht jeden Tag die Bibel gelesen. Warum bist du nicht zu jeder christlichen Veranstaltung gefahren und hast geheult als es eine intensive Anbetungszeit gab, um alle deine Sünden zu bereuen.“
Es klingt vielleicht ein wenig zynisch und ich will nicht behaupten, dass alles Gebet, Bibellesen und Lobpreis und Anbetung schlecht ist, doch wenn es mich nicht dazu bewegt, meinen Nächsten in Tat zu lieben, dann speisen wir damit nur unseren wohlgesättigten Egoismus. Ich träumte stets von glorreicher Tat in der christlichen Szene, um gut ins Himmelskonto einzuzahlen. Ich bemerkte den Egoisten, der hinter diesen Wunsch steckte, als ich erkannte wie ich an den Menschen vorbei blickte, die mich brauchen. Seelisch völlig zerstört, wollte ich nichts mehr als die kleine Tat mit großer Liebe.

„Es kommt nicht darauf an, wie viel wir tun, sondern wie viel Liebe, wie viel Aufrichtigkeit,  wie viel Glaube wir in unser tun legen.“ Mutter Teresa


Alles, was ich getan habe, ist Freunde finden in Menschen, die selten jemand bemerkt und es schien mir zum ersten Mal im Leben, dass ich lebe.  Alle meine bisherigen Werte und Normen waren über einen Haufen geworfen und ich entschied für die Liebe zu streiten.

Weg vom Egoismus, von Ichbezogenheit, Leistung, Pünktlichkeit, bekam mein Leben Werte wie Glaube, Hoffnung und Liebe. Ich dachte ich entdecke etwas ganz Neues in Afrika, doch entdeckte etwas Altes ganz neu. Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Hab ich ihn nicht, hab ich nichts. Für ihn zu leben, heißt zu lieben. Es war nicht alles leicht und das Leben war auch nicht schöner in Afrika, doch in mir fand ich Frieden und Erfüllung.

Ein Jahr ist verflogen. Angst erfüllte mich, wenn ich an die Rückkehr dachte. So sehr ich mich auch nach Freunden und Familie sehnte, das Letzte, was ich mir wünschte, war mein altes selbstbezogenes Ich.

Am 13.04.2012 machte ich folgenden Eintrag in mein Buch:

„Altes Ich – als ich die Schule beendet habe, kannten mich nur die wenigsten meiner Mitschüler, so wie ich bin und ich selbst war mir auch stets im Unklaren darüber. Ich war eine Woge vom Wind getrieben, die es allen recht macht. Für die Schönlinge war ich schön und verwendete herabblickenden Menschenumgang. Für die Sozialen war ich sozial, bei den Außenstehenden war ich außenstehend, für die Rebellen war ich rebellisch und vor Gott war ich ein großes Durcheinander ohne Ahnung, wen ich eigentlich im Spiegel betrachte. Die Schule habe ich hinter mir gelassen und im Leben mit passablem Abschluss war ich immer der, den sie wollten. Aus Angst Freunde zu verlieren, war ich Trinker, habe mich an das Rauchen ran getastet, geflirtet, Mädchen meinen ersten Kuss verschenkt, dumm gelabert, verrückt gespielt – alles aus einem Willen heraus, den ich fürchte. Auf Summercamp und Gottesdiensten war ich der Heilige, der Jesus liebt und leide selbst. Mein Willen zu lieben war nicht geheuchelt, doch meine Worte blieben Worte und Taten rangen miteinander. Ich versuchte meine Seele zu beruhigen, indem ich ihr erklärte, dass mich meine Freunde ebenso kennen und das gleiche blinde Ross reiten. Perfekt inszeniertes Schauspiel findet am Wochenende statt, wenn wir hingebend Lobgesang beisteuerten. Die Predigt war nie befriedigend und ich ging wie ich kam – über Jahre hinweg. An manchen Tagen wurde ich überführt, berührt und unter Tränen traf ich Entscheidungen über neues Leben, Veränderung, Kompromisslosigkeit und am Montag wurde meine Saat zertreten und von den Vögeln des Lebens gefressen. So viele Meinungen ließ ich über mich ergehen und meine geistliche Erde ist gepflasterter Straße ähnlich. Unter angelesenem Weltbild erstickte mein Vorhaben und Zukunftspläne ließen mich nicht mehr blind folgen und ich war blind. Ich spreche kein Urteil über Freunde, keine Schuld tragen sie für mein Handeln – Herr, errette mich vor mir selbst.
Zwei Jahre vergingen nach meinem Abschluss und ich komme in die Mission. Zuerst laufe ich halbschlafend durch Lager, dann schreibe ich Hilfsprojekte und dann lande ich in einem Waisendorf in Tansania. Wie eine Kur für meine Seele, am richtigen Ort zur richtigen Zeit, merke ich, wer ich sein soll, wer ich über viele Jahre nicht war. Ich habe viele Begabungen, die mir einen Namen machen, doch wer verbirgt sich hinter diesem Namen. Ich verstecke mich vor mir selbst und belüge mich und bemerke es nicht einmal. Ich regeneriere in Tansania und ich habe Angst vor mir selbst. Ich will keine Kompromisse mehr mit dieser Welt. Deutschland ist eine gottlose, mit Versuchung zugestopfte Spaßgesellschaft, die all den Glauben in Materialismus erstickt. Glauben ist keine Tugend mehr, sondern eine Narrheit. Ich habe Angst vor diesen Hürden und ich habe Angst, dass meine engsten Freunde mir die Füße beim Absprung festhalten. Ich habe Angst sie zu verlieren und ich habe Angst sie zu gewinnen und mich selbst zu verlieren. Ich war in meinem Leben noch nie so gebraucht wie hier zur Zeit und hier tue ich, was Gott gefällt, doch ich werde gehen müssen…“

Hier bin ich nun, zurückgekehrt. Ich kam aus einer Welt, wo Löwen lauern und bemerkte schnell, dass das Kapitel noch nicht abgeschlossen ist und es immer noch oder erneut heißt – Löwen und ich.

Da wo ich bin, da will ich sein. 

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Zwei Wochen vergehen seit ich diese letzten Worte auf Papier gefasst habe. Mein Verstand hat nicht ausgereicht, um all mein Herz zum Ausdruck zu bringen und das ganze Durcheinander, das schon seit der Rückkehr in mir tobt, findet auch jetzt nur schwer Ordnung.

Ich bin auf dem Weg nach Hause.

Es ist dunkel und der Tag zieht seine letzten Minuten, ein Dunst hängt zwischen Erde und Himmel, wo hin und wieder ein paar Sterne hindurch funkeln. Ich erkenne das Sternenbild, das wie ein Pfeil in den Himmel scheint und mich schnell wieder an den fernen, vertrauten Ort im Süden der Welt denken lässt, wo alles verdreht ist.
Die Straße ist glatt und bedacht müssen meine Schritte gewählt werden und nicht lange darf ich stehen, um den Erinnerungen Raum zu geben. Die Kälte bohrt sich langsam durch die Schuhspitze in meine Zehen und ich halte mich dicht an mir selbst um mir ein wenig Wärme zu spenden. Ich gehe durch ein Waldstück, das völlig kahl vor sich hin vegetiert und die 4°C lässt den Schnee, der sich nur spärlich um die Füße der Bäume schlängelt, abschmelzen. Ich passiere das Ortszentrum, gehe an all den Fachwerkhäusern vorbei, die noch genauso aussehen wie beim ersten Mal, als ich diese Straße entlang ging, auch wenn ein nostalgischer Hauch nun über all den Dächern hängt. Alle fünf Schritte kommt eine neue Geschichte aus meiner Kindheit in den Sinn. Die eine oder andere lässt mich innerlich schmunzeln. Fehlende Autos geben meinem Abdriften in die Vergangenheit Ruhe. Doch ich blicke nach vorne. Die gelben Laternen brechen ihr Licht in meiner Hornbrille und der Anstieg lässt mich schwerer atmen. Ich atme aus und meine Brille beschlägt, Sicht ist immer wieder verwehrt, doch ich gehe. Ich mache meine letzten Schritte auf dem unzählige Male passierten Schleichweg und genieße in dieser unbeleuchteten Stelle Heimathimmel unter der Musik von Hillsong, die sanft und kräftig in meine Ohren strömt:

„Oh, I’m running to Your arms,
I’m running to Your arms
The riches of Your love
Will always be enough
Nothing compares to Your embrace
Light of the world forever reign

You are more, You are more
Than my words will ever say
You are Lord, You are Lord
All creation will proclaim
You are here, You are here
In Your presence I'm made whole
You are God, You are God
Of all else I'm letting go

My heart will sing
no other Name
Jesus, Jesus”




Ich komme an, drehe den Schlüssel mit dem Afrikaanhänger und trete ein.
Ich greife zu Stift und Block und diese Worte finden endlich Platz.

Rückkehr.

Kalt ist der Winter, heiß glüht der Sommer.
Dunkel ist die Nacht, hell springt die Sonne am Tag.
Tief sitzt die Trauer in mir, als größte Freude mich überrollt.
Wenige Stunden, nicht mal ein voller Tag liegt zwischen Nacht und Tag - Trauer und Freude. 

Schweren Herzens winke ich den Kindern zu und alles reißt in mir. Meine Liebe war so groß, dass ich nicht gehen wollte. Es ist nur schwer zu fassen was in meinem Herzen vor sich ging. Täglich habe ich mit der Kultur, dem Umfeld, dem Menschenumgang, der Sprache, dem Beziehungsaufbau – mit Löwen – gekämpft, um es irgendwann zu lieben, bis es ein Teil von mir wurde, ich ein Teil von ihnen. Ich gehörte dazu, im Herzen ein Afrikaner, integriert, sozialisiert, nach afrikanischen Werten und Normen zivilisiert. Im Blick und im Kopf häuften sich meine Erinnerungen an eine materialistische Welt, mit verschobenen Werten, die mir in ihrem Eigennutz das Bild von ziviler Barbarei hervorriefen.

Angst. Große Angst vor all dem Alten, größte Angst vor mir selbst und tief sitzende Trauer, Leben verloren zu haben, nahmen all der Freude ihre Entfaltungsmöglichkeit. Völlig perplex, starr, gefühlslos, weil sich gegensätzliche Gefühlswelten bis zur neutralen Gleichgültigkeit gerungen haben. Worte fehlen mir, um meiner Freude Ausdruck zu verleihen und jede Umarmung – ein Kampf.
Nur schwer realisiere ich, dass ich auf einmal wieder Freunde habe, dass Familie mich umgibt. Ich kann nicht glauben, dass ich wieder da bin, glaube nicht, dass ich je fern war und kann nicht wirklich nah sein. Alle Freunde, Geliebte kommen zu Hauf – völlige Reizüberflutung. Der Tisch ist so reich gedeckt, warmes Wasser kommt aus dem Hahn, das Spülwasser in der Toilette ist trinkbar und ich kann mich zum Kacken hinsetzen. Ich habe alles auf einen Schlag vor mir, wonach ich mich in schweren Stunden gesehnt habe. Eine schwere Stunde muss ich in diesem Moment bewältigen.

Alltag kämpft sich durch und ich versuche zu fliehen. Trauer und Freude reißen immer wieder an meiner Seele und ich weiß nicht ob ich glücklich bin. Fast depressiv werde ich in Stunden des Alleineseins. Ich schreie zu Gott, um Erweckung meiner Seele. Mein Heil, errette diese sterbende Welt! Alles in mir stirbt, weil Gott den gemeinsamen Alltag nur noch begleitet und nicht mehr durchtränkt bis in alle Fasern.

Ich schöpfe Kraft in Gott, der hier derselbe ist wie da. Sein Wort gibt mir Halt und Vertrauen in ihm wächst und meine Sicht wird klarer. Auch wenn meine Brille bei Nacht und Kälte immer wieder beschlägt, gehe ich voran. Ich entscheide mich.

In Momenten, wo wir in Gemeinschaft sitzen, schaue ich eurem Reden zu und meine Seele findet Ruhe und will schreien. Hier bin ich, hier will ich sein. Ich will ehrlich mein Herz mit dir teilen. Ich will lachen, weinen, zusammen im Herrn leben. Ich will alte Freunde wieder neu verstehen, sie lieben und endlich, endlich wieder für sie da sein. Ich will wissen wie es euch geht, ich will euch zuhören und sein wer ich nun bin und euch Freund sein. Ich wünschte ich wäre fähig gewesen folgende, abschließende Worte schon vorher sagen zu können, doch Trauer zog an meinem Herzen. Der Gedanke, dass ich meine Geliebten in Afrika immer noch zutiefst vermisse, ruft immer wieder Trauer hervor, doch es überwiegt eine Freude über all die Liebe, die ich dort erfahren habe und teilen konnte. Hier bin ich nun, hier will ich sein. Ganz im Jetzt. Ich stelle mich allen Herausforderungen, lasse mein Leben mein Leben sein, und mache mir klar, nun heißt es – Leben. 

"ICH BIN FROH WIEDER HIER ZU SEIN UND DICH ZU HABEN!"

lions and me.


Dienstag, 7. August 2012

Lazerus

Es ist mir oft durch den Kopf gegangen, wie es ist zurück zu kehren, nachdem man ein Jahr lang in verkehrter Welt gelebt hat. Ich trete aus dem Flugzeug heraus, die Temperatur ist mild und ich berühre deutschen Boden. Ich weiß, am Ausgang warten Vertraute und ich nehme jeden Schritt bedacht und langsam, um innere Ruhe zu finden. Ich nehme mein Gepäck und Blicke treffen sich von mir und sehnsüchtig Wartenden. Wortlos fallen sie mir in die Arme und ich kann nichts, von allem, wirklich fassen. Habe ich erlebt, was ich erlebt habe, liegt wirklich ein Jahr voller Entdeckungen, Abenteuer und Kämpfe zwischen mir und mich Liebenden? Erwachen aus einem Traum, Wirklichkeit schockt. Alles ist perfekt, makellos sauber und schön. Die Bedienung im Cafe ist schnell und keiner bemerkt dich, weil du weiß bist. Keiner grüßt und interessiert sich warum du mit so großem Taschen, so dreckigen Füßen und seltsamen Schlappen durch die Gegend schlenderst - eine bunte Welt, in der alles normal ist. Teure Autos brettern über die Straßen, Autofahren hat System, Straßen ohne Schlaglöcher und alles funktioniert. Alles scheint vergoldet im Vergleich zu der Wirklichkeit aus der ich gerade so schwer Abschied genommen habe. Alles wirkt wie ein Traum, wo ich in utopische Welt versetzt wurde. Kann ein Herz aus Gold wirklich schlagen, leben?
Keiner hat wirtschaftliche Not, alles ist in Wohlstand eingetaucht, jeder ist reich und leistet sich Luxus und gönnt sich Erholung in Freizeit. Wer so hart gearbeitet hat, so lange gelernt hat, so harte Vergangenheit überstanden hat, hat all dies verdient. All der Wohlstand ist uns nicht in die Arme gefallen. Aus kriegerischen Trümmern sind wir gewachsen, haben Wissen praktiziert und arbeiten sorgfältig, genau und gut. All das Luxusleben ist das Resultat harter Arbeit. Armut wurde durch Fleiß vertrieben. Der Tisch ist reich gedeckt und das man Zugang zu Strom, Wasser und Nahrung hat ist selbstverständlich. Da all die Sorge ums Überleben durch Geld genommen ist, darf es um Dinge gehen, die nicht so wichtig sind zum Leben. Man darf gut aussehen, sich teuer kleiden, gutes, teures, exotisches Essen genießen, Kultur ausleben, Nichtstun genießen und Freizeitaktivitäten nachgehen. Wer lange gearbeitet hat, darf sich auch mal zurück lehnen.

Doch afrikanischer Lazerus liegt vor der Tür und bettelt, bekommt die Wunden von den Hunden geleckt und ernährt sich von den Brotkrummen des wohlverdienenden Reichen. In 50 Jahren Freiheit streiten sich korrupte Verbrecher um Regierungspositionen, um sich an den Brotresten der Reichen als erstes satt zu fressen und sich selbst als großer Retter zu präsentieren, während sie sich an europäischem Wohlstand ergötzen und Entwicklungsgelder in eigene Taschen fließen lassen. Afrika hält sich demütig zurück, schlägt sich laufend, Wasser schleppend durchs Leben und meint bescheiden, dass ein Einzelner nicht viel vollbringen kann. Völlig erschöpft kämpfen sie für das tägliche Brot, um Familie in ihrer Blechhütte nicht verkommen zu lassen. Wissen fehlt, Fleiß wird nicht aufgebracht um sich selbst auf die Beine zu kriegen und sich in den Wohlstand zu schießen. Sie wurden von reichen Weißen ausgelutscht und Abhängigkeit von westlicher Welt wird durch Entwicklungsgelder stramm gehalten. Doch sie stehen nicht auf und entwickeln sich aus sich selbst heraus. Sie riskieren nichts den eigenen Start und bleiben lieber an der Eingangspforte und betteln nach Brotkrumen. Es ist logisch, dass sie in Armut verkommen und wer nicht investiert, kann auch nicht erwarten und Wohlstand und Reichtum nicht verdienen. Logisch gesehen leben sie nach ihrem Verdienst. Ein tansanischer Journalist hat einen Gedankengang aufgeführt, bei dem er sich einen Ländertausch vorstellt. Setze alle Tansaner nach Deutschland und alle Deutschen nach Tansania. In wenigen Jahren würden die gebildeten Deutschen das Land voll zu ihrem nutzen ausgeschöpft haben und den großen Reichtum des Landes bis hun zum Genuss des Lebens verarbeitet haben. Deutschland wäre nach nicht langer Zeit völlig verbraucht und irgendwann nicht mehr richtig funktionsfähig. Das Fehlen von Wartungsarbeiten, das Fehlen von Arbeiten und der Blick zu den Weißen würde schon bald den reich gekleideten Lazerus, der gut gegessen hat zu einem in den Süden, zu den in Tansania lebenden Weißen, gerichteten Bettelnden machen. Gerecht ist dieses Schicksal. Deutschland hat ein Recht auf hart verdienten Reichtum und Afrika besitzt nur wenig.

Doch dürfen wir all dem Leid, dem Sterben einfach so den Rücken kehren? Was braucht diese Welt, um diesen sterbenden Teil zu retten? Ich mache einen Aufruf zur "Ungerechtigkeit", zur nicht logischen Tat. Es ist nicht gerecht, dass sich der Reiche aus seinem wohlverdienten Palast begibt und sich zu dem Lazerus setzt und ihm zuhört, ihn kennen lernt, sich ihm zum Freund macht und ihn auf seine Kosten leben lässt. Es ist nicht gerecht, dass jemand von deiner Ernte isst, wenn er dir die ganze Zeit beim Pflügen und Säen nur zugeschaut hat. Doch Tatsache ist, dass die Ernte groß ist, dass sie für alle reicht und unseren vielleicht faulen oder eher aus Unwissenheit Nichtstuenden vor dem Sterben bewahrt. Ein Sohn verdient das Taschengeld seines Vaters nicht und hat kein Recht auf sein eigenes Zimmer, weil es nicht sein Verdienst, sondern der, des Vaters war. Wie viel weniger verdient ein Fremder, der sich kämpfend durchs Leben hungert. Es ist ein Aufruf zur unverdienten Gnade, ein Wegblicken vom eigenen Recht, ein Zurückstecken eigener Bedürfnisse und zur bedingungslosen Liebe

Welch erschreckende Wirklichkeit sich auf dieser Welt abspielt, doch wer lebt wirklich und wer umschmückt nur den Tod? Lazerus hat Hoffnung und stützt sich auf einen Gott und lebt mit ihm. Was anderes gibt wirkliche Freiheit auch über Tod?

Samstag, 21. Juli 2012

Mein Gehen wird Kommen

Exit, 21.Jul 2012 Tanzania - der Stempel knallt in meinen Reisepass und unterzeichnet ein Jahr Abenteuer in Afrika, in einem Land meines Herzens, Tanzania. Zu schnell vorbei, es erscheint mir alles wie ein schnell verblassender Traum. Ich habe viel erlebt, habe lieben gelernt und bin verändert. Mein Geist schwebt noch durch die Lüfte und ich kann noch nicht fassen, dass ich es bin, der die Welt gesehen hat. Einen Teil dieser Welt, den man so ungerne anschaut und viel lieber schweigend, scheinbar gedankenverloren passiert. Doch ganz bewusst habe ich mich in das tiefe Tal begeben, vieles erblickt, mich in Gesprächen selbst herausgefordert und versucht zu verstehen, wofür ich kein Verständnis finde. Seelisch mitleidend habe ich mitgelebt. Ich fand Freude in Trauer, Frieden in Krieg, Liebe - so unverdient. Kultur, Gesellschaft, Mensch und wilde Natur sind mir eigen geworden. Wilde Welt findet Einklang mit wildem Herzen. Gefahr ist mein reizendes Spiel. Und so viele kleine, scheinbar unbedeutende Momente haben mein Leben gemacht, und mich selbst zu dem, der ich nun bin. Nun heißt es gehen, wahrhaben und kommen. Heimat ist gewachsen und ich habe drei Stunden um Frieden zu finden und mir klar zu machen, was ich erwarten darf, um nicht zu sterben und nicht zu töten. Fass dir ein Herz, ich werd es sonst nicht überstehen. Ich lege den Stift zur Seite, um ins Flugzeug zu steigen und um Zeit für Ruhe zu lassen.

Was erwarte ich und was und wer erwartet mich? Es ist alte, mir vertraute Welt, die auf mich zukommt, doch ich bin neu. Ich erwarte Pflichtgefühl und Tatendrang, hohen Lebensstandard, isoliertes Leben, Einsamkeit, Depression, inneren Unfrieden, doch nicht für mich. Ich breche hindurch mit Freude als meine Stärke, mit einem Gott an meiner Seite. Ich halte mich an ihn, in seiner Nähe, um inneren Frieden zu wahren und Herz zu beschützen. In einer Welt, die sich nicht für dich interessiert, will ich mich nicht verlieren. Mit Sitznachbarn im Flugzeug wird nicht geteilt, man erfährt für sich allein. Doch wo ist die Schönheit? Lass sie mich entdecken, lass mich Freude bei der Landung empfinden. Ein Jahr lang ist Liebe stark geblieben und Freunde und Familie haben sich nach diesem Tag gesehnt. Meine Schwester sprach von gerissenem Herzen, dass neu vereint wird, meine Freunde haben Freude bei dem Gedanken an meine Rückkehr. Sie sind bereit zu versuchen, mich zu verstehen., wollen mein Leben teilen. Gib mir richtige Worte und lass meine Erwartung nicht ihr Verständnis sein, lass mich erkennen, welch Schatz ich gewonnen habe, möge ich ihn nicht unbedacht verlieren, sondern Menschen zur rechten Zeit damit beistehen. Auch deutsche Welt wird nicht mehr die gleiche sein. Lass mich ein aufmerksamer Beobachter sein und verstehen, was in ihren Herzen vorgeht. Ich wurde ein Jahr lang von Afrika gebraucht, nun will ich gebraucht sein in Deutschland, in meiner Familie, unter meinen Freunden. Ich bin nix und sie sind mir Könige. Ein Diener darf nicht erwarten. Ich bin nun hier, hier will ich sein. Nun wird mein Gehen zu einem Kommen. Liebe möge mein Motiv sein.

Create in me a pure heart, o God and renew a steadfast spirit within me. Do not cast me from you presence or take your Holy Spirit from me. Restore to me the joy of your salvation and grant me a willing spirit, to sustain me. (Psalm 51,10-12)

Sonntag, 15. Juli 2012

Sansibar oder der letzte Grund

Sansibar oder der letzte Grund. Als Kind halte ich dieses Buch, in der Kriegszeit verfasst, in den Händen. Nie habe ich mich gefragt, wohin der Junge in diesem Buch fliehen will, um sich von sich tötender Gesellschaft zu retten. Viele Jahre später, heute, rette ich mich ein letztes Mal vor sich tötender Gesellschaft in Sansibar. Der Junge hoffte auf einen utopischen Ort mit besserer Zukunft, ich finde ein Leiden unter der islamischer Hand, wo etwa muslimische 90 Prozent christliche 10 Prozent vergewaltigen und ihre Kirchen in Brand stecken. Traurig, doch niemand flieht vor Leid auf dieser Welt. Sansibar, eine träumende Insel, in der sich die Menschen aus Menschenfurcht unter religiöse Riten beugen. Ich streife durch die Gassen ohne Ziel, nur der Weg zählt und ich fühle mich ebenso verloren. Die Gebäude befinden sich im romantischen Zerfall und sind durch Balken und Hölzer prekär restauriert. Die schön verzierten Türrahmen hauchen alt-omanische Sultanatszeit in diese arabisch, geprägte, muslimische Welt. Frauen und Mädchen sind tief verschleiert und meiden Blickkontakt. Ein zwanzig jähriger Vater sitzt mit seinem Sohn, den ich zuerst für seinen Bruder halte, vor seinem Hauseingang. Ich frage seinen vielleicht zwei Jahre alten Sohn nach seinem Namen und er darf stolz selbst antworten. Ein kleines Mädchen gesellt sich glücklich hinzu und spircht mit dem jungen Vater. Ich frage auch sie nach dem Namen, sie blickt schweigend betroffen weg und auch der Mann schaut zu Boden. Ein Angriff auf Kultur und Religion - ein kleines Mädchen spricht nicht mit weißem Fremden. In den Geschäften ist kein Bier erhältlich und diejenigen, die es auf Nachfrage doch besitzen, bitten einen in eine versteckte Ecke zu gehen. Das Verhalten und die Stadt sind stark von radikalem Islam geprägt und alles scheint darunter gebunden zu sein. Schamlos ziehen die weißen Touristen in hotpants und tiefen Ausschnitt durch die engen Gassen. So geschmacklos, ohne jegliches Kulturverständnis. Ich treffe auf eine glückliche Verkäuferin, Mama, Zuwena, die nichts für mich attraktives zu verkaufen hat, doch ihr Umgang mit mir ist echt und von vorbeiziehenden Männern vermutlich nicht gern gesehen. Ich kaufe ein T-shirt, das ich runter gehandelt habe, nachdem sie mir sagt, dass ich heute ihr erste Kunde bin, dann doch für zehn tausend. Wir sprechen gegenseitig Segen Gottes über unsere Leben aus und ich frage mich welcher Segen denn echt ist. Samstag abend sitze ich zu dieser Uhrzeit in Deutschland daheim und kann alles nicht fassen. Ich frage mich, wie die verschiedenen Begegnungen sein werden. Wer wird mich verstehen, mein Herz, wem darf ich mich anvertrauen? Oder soll ich mir schweigend diesen Schatz bewahren? Mögen meine Worte nicht versagen und ich nicht verstummen! Ich komme aus einer Welt, die in Problemen lebt in eine Welt, die an ihren Problemen stirbt. Noch fünf Tage, um mein Jahr abzurunden und ein stilles Herz zu bekommen. Ich fühle mich im "Nichts" verloren. Mein Herz hat noch nicht verstanden, dass ich gehe und kann sich noch nur schwer freuen auf das, was kommt. Ich bin ein Feigling! Ich bin ein verendender Jasager, der sich wie Knete von allem und jedem formen lässte und nie Gestalt annimmt. Solch schönes Bild hat diese Zeit aus mir geformt. Ich komme aus einjähriger Kur gesäubert in eine dreckige Welt, wo all das Gewonnene in die Wüste geschickt wird. Möge all meine Masse in Gottes Händen sein und durch Kultur, Begegnung und Freunde und Familie zu Seiner Herrlichkeit geformt werden. Diese Welt gibt nur so zeitliches Glück. Alles ist der Zeit unterworfen.Welch Freude, dass ich nicht bleiben muss, ich ziehe hindurch und bin nur Gast auf Erden. Ich rühme mich der Hoffnung auf zukünftige Herrlichkeit. Wer kann die Ungewissheit des Glaubens überwinden? True Love Remains!

Heimat wächst

Noch nie fiel mir Abschied so schwer. Lange habe ich über die Worte nachgedacht, die ich ihnen zuletzt mitgeben soll. Das Haus ist gefüllt mit Wazungu samt Nehemia Chef Pawel Sturz. Ich schiebe meine Rede weit hinaus aus Furcht, das meine Worte vor diesen stechenden Augen keinen Weg finden.Doch der Abend gilt mir und meinem Abschied. Pawel leitet ihn mit einer Rede ein, die mich meines Dienstes rühmt, den ich selbst nicht so hoch schätzen kann, wie er ihn beschreibt. Meine Demut ist angekratzt, doch er spricht von der Liebe zu den Geringsten, die keiner wahr nimmt, die der ganze Himmel bejubelt. Ich blicke in die Runde, den Kindern in die Augen und kann mein Herz nicht beruhigen, als mir klar wird, dass ich sie die letzten Momente sehend liebe. Tränen laufen mir die Wangen herunter, was ich nicht vor den vielen Blicken verbergen kann. Pawel's Rede endet mit einer väterlichen Umarmung, die ich in diesem Moment so nötig habe. Die Kids verbergen sich in den Zimmern, um ihr Schluchzen und Heulen nicht zu präsentieren. Ich gehe durch die Zimmer und finde ein Haus gefüllt mit Trauer. Ich versuche standfest zu bleiben und den ersten Schritt zu gehen und schnell eingeeiste Freude auftauen zu lassen. Ich versuche Trauer hinauszuschieben bis auf den nächsten Morgen, verdrücke mir alle Tränen und motiviere den letzten Abend tanzend zu beenden. Pilau beruhigt unsere Seelen und ich genieße ein letztes Abendessen am Tisch mit den Kids. Wir heitern uns mit lustigen Geschichten auf und ich genieße noch einmal ihr Lächeln, ihren liebevollen Blick. Nach tansanischer Tradition verfütter ich den für mich gebackenen Kuchen an Princess Maria und Upendo und werde selbst gefüttert zur Freude der auflachenden Kinder. Schweres Herz wird leicht, als wir unsere Arme und Beine dem Bongorythmus unterwerfen. Wir tanzen und ich genieße es ein letztes Mal und präsentiere die mir beigebrachten Tanzschritte ein letztes Mal. Ich nehme mir Biana nochmal zur Hand und führe den Tanz und lasse ihre Welt drehen. Tanzend drücke ich auch Upendo fest in den Arm und fliege durch den Raum. Viel Zeit vergeht schnell, wenn man genussvoll die Beine schwingt. Solarstrom versagt ein letztes Mal und unsere Akkubetriebene Box drönt ins Dunkel wahrend wir weiter tanzen. Für Frischluft gehe ich vor die Tür und betrachte schweigend nun so sehr vertrauten Sternenhimmel. Es wird Zeit für meine letzte Rede. Ich spreche Dank aus und lasse gute Zeiten nochmal verbal durchleben. Ich schließe mit der Ausgabe von vielen Briefen und einigen Hinterlassenschaften ab und Freude ringt sich nochmal durch. Unser Abend wird nochmal lang und Felista nimmt mich nochmal zur Seite und offentbart mir ihr Herz und vertraut mir ihre Trauer an. Ich will ihre Welt hier nicht veröffentlichen, doch ich bin gefüllt mit Zorn auf Menschen, die keinen Sinn für Leid haben. Über Mitternacht presse ich meine Hand mit Farbe um die im Wohnzimmer angemalte Welt und schreibe groß "Paulo" daneben. Die nächste halbe Stunde verbringe ich damit mir die Farbe mit Klerosin und Seife auszuwaschen - erfolglos. Doch ich genieße die Gemeinschaft mit der so geliebten Neema, die meinem Leid beiwohnt. Ein letztes Mal begebe ich mich unters Moskitonetz und unter lauten Gedanken und rufendem Herzen finde ich Schlaf.
Früh machen wir uns zum Morgensport, geleitet von der neuen Volunteeren - ein letztes Fußballspiel. Unter Zeitdruck packe ich meine Tasche, das Kamerateam aus Deutschland nimmt die von mir in diese Welt gerufene Band unter Blitzlicht. Vor versammelter Menge stelle ich mich ein letztes Mal und nach langem Schweigen sage ich einen Satz, der von Tränen getragener Trauer unterbrochen wird. "Ich kann nicht glauben, dass ich euch jetzt verlasse". Noch einmal "Danke", "Ninawapenda", "Sitawasahau", "Nitawakumbuka". Schamlos heulend nehme ich jeden noch mal in meine Arme. Weinende Kinder winken mir zu, während ich auf der Ladefläche des Trucks verblasse. Die schöne Mwanaidi sieht mich vorbeiziehen und hält sich das Khanga vors Gesicht. Eine letzte Umarmung bleibt aus.
Ich nehme alles nochmal auf - die bestiegenen Berge, die mir bekannten "Dukas", die Pikipiki driver, die Bewohner Morogoros. Ich merke, dass ich wieder gehe. Ich verstehe, Heimat war nur in Blankenheim - ein Jahr lang habe ich in Tanzania geliebt, wurde geliebt und erkenne nun - Heimat wächst. Ich kam aus der Heimat in die Ferne und nun gehe ich aus der Heimat in die Heimat. Mein Herz ist zerrissen.

Montag, 2. Juli 2012

Mein Herz schreit

Es fällt mir nicht leicht zu gehen. Ich kann es nicht aufhalten, Zeit boxt sich in großen Schlägen durch den Alltag und meine Gedanken drehen sich um einen gelungenen Abschied. Ein Abschluss bei dem Frieden im Herzen und Freude, Leben und göttlicher Weitblick zurückbleiben.
Ich frage mich, was ich diesem Land gebracht habe und wieviel Sinn mein Dasein gehabt hat. So wenig habe ich getan und wo ist der Unterschied von dem, wer sie waren, wer sie nun sind?
Ich war einfach hier. Ich habe einfach gelebt wie sie, ihre Sprache gelernt, mit ihnen gegessen, ihr afrikanisches Spiel erlernt, barfuß Fußball über rote Erde gekickt, bis mir schwer loszuwerdende Hornhaut gewachsen ist und mich immer wieder selbst mit handwerklichen Arbeiten versucht.
Ich bin einfach eingetaucht und habe alles lieben gelernt. Ich habe sie lieben gelernt. So wie Heimat nur ein wüster Ort ist, wenn nicht Freunde und Familie ihn beleben, so ist Afrika auch nicht viel mehr als ein schöner Kontinent, wenn ich nicht Liebe teilen würde. Es haben sich Beziehungen gebildet, die mit Herz vernetzt sind und bald zu reißen drohen. Es fühlt sich so an, als würde ich sie im Stich lassen. Ein Jahr lang habe ich sie ihrer Liebe beraubt und reiße nun an ihrem Herzen und lasse ihr weinendes, fragendes Herz bluten. In Tränen schreibe ich und nicht weil es mir dort, wo ich hingehe schlechter gehen wird. Ich weine, weil 28 Kinder in seelischer Wüste ausgesetzt wurden, ihre Eltern als Hurer an Aids gestorben sind, sich dem Alkohol gebeugt haben oder sie schlicht weg ausgesetzt haben, weil sie sie nicht wollten. Nur selten habe ich sie nach ihrer Vergangenheit gefragt, weil ich nicht Mitleid teilen, sondern Freude schenken will. Ich sitze hier und denke an ihr Lachen, ihre Stimmlage, wenn sie reden, ihre verschiedenen Verhaltensmuster und dann ist da der Gedanke, dass sie keinen in der Familie haben, der ihnen sagt, dass er sie liebt. Jemand erzählt mir von Verwandten, die er nicht einmal mit Namen bennenen kann, geschweige denn, die er im letzten Jahr überhaupt mal zu Gesicht bekommen hat. Sie wurden von ihren Großmüttern ausgesetzt, die sie nicht versorgen können und sie anschließend nicht einmal besuchen kommen. Bei dem seltenen Auftauchen entsteht das Gefühl einen Fremden in dem Arm zu halten. Daniel hat sogar noch eine Mutter in Dar es Saalam, die er jedoch noch nie gesehen hat. "Warum ist sie noch nie hier gewesen?" frage ich ihn. Er schweigt, weil er keine Antwort hat.
Biana tanzt als wäre sie reich beschenkt in diesem Leben, sie teilt und achtet den Nächsten höher als sich selbst. Sie strahlt vor Freude und spricht liebevoll. Sie ist unglaublich hübsch und macht sich nichts daraus. Wie kann sie so eine Lebensfreude in sich tragen, wenn Vater und Mutter schon lange im Grab liegen. Oh, Gott, bewahre diese Kids vor dieser Geist tötenden, dreckigen Welt voll Leere, voll Tod. Weitere Lebensgeschichten gehen mir durch den Kopf, die ich nur schwer mit ihrer Lebensfreude vereinbaren kann. Sie wachsen in Gemeinschaft und Liebe auf und lernen das Miteinander-, Füreinanderleben. Ich versuche mich damit zu berühigen, dass Dada Tina ein großes Herz hat und liebt ohne Bedingung und Gott im Herzen trägt und seinem Ruf folgt. Hier habe ich lieben gelernt und gelebt, um zu lieben. Stets mit dem Versuch nicht für mich selbst zu leben und nicht meine eigenen Bedürfnisse suchend. Es geht um Gott und das Leben für ihn. Elf Tage bleiben mir an diesem Ort, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde. "Agape", ein Ort voller Liebe. In Sansibar versuche ich nochmal zu verarbeiten und dann kommt herausfordernde Rückkehr. Ich habe Angst vor altem Ich und mein Herz schreit, wenn ich mir bewusst mache, dass es bald zurück geht. Kann ich das erneut tragen? Ich bin mir selbst zu schwer! Ich habe hier eine Freiheit gefunden und ich habe Angst sie zu verlieren. Ich hasse mein altes, selbstsüchtiges Ich.


Sonntag, 17. Juni 2012

Gedanken streiten


Ich sitze in einem unbelebten Kiosk in der Stadt und trinke mein Soda. Mit dem Bewusstsein, dass alles vielleicht das letzte Mal in diesem Flair an mir vorüber fliegt, sitze ich einfach hier. Gedanken streiten miteinander und treiben mein Gesicht zu Lächeln und bedenklich ernstem Blick bei Rückblick.

Ich bin gerührt - wenn sie mir von dem Wenigen geben, wenn sie ohne meine Bitte ein Glas Milch für mich zur Seite stellen, weil sie wissen, wie sehr ich diese Seltenheit genieße, wenn sie mir den Eimer Wasser vor die Tür tragen, den Teller für mich mit waschen, ihr Herz öffnen und mir ihre Alltagsgeschichten erzählen, von Zauberei und Geistern auf den Bergen. Sie schmiegen sich an meine Seite und wollen Nähe, streiten sich um den Platz auf meinem Bauch, der die kräftigen Ugalimahlzeiten nicht verarbeiten konnte. 
Ich bin noch genau vier Wochen hier und ich frage mich warum bin ich hier? Was ist noch zu tun und wie soll ich gehen? Ein durchdachter, bewusster Abschied ist mir wichtig und ich frage mich was, von mir, ich hier lasse. Mein Herz – ein feiner Schliff ist von Nöten.

Ich verspreche Eliza mir besonders Zeit für sie zu nehmen, um sie für den Test am nächsten Tag vorzubreiten. Abends halte ich Wort und noch bis spät gehen wir mit ihr Wissenschaft in Englisch durch. Ein leises Klopfen an meiner Zimmertür, "Asante" flüstert sie fast stumm und berührt mich tief im Herzen. Wieviel Zeit doch bedeutet. Sie ist durchgefallen. Ich denke an ihr Leben und es bringt mich zum Heulen. Lange stehe ich auf Knien und frage mich betend, warum das Leben so ungerecht ist? Warum wird ihnen bei diesem Schicksal so viel zusätzliche Last aufgeladen? Sie sind fröhlich, glücklich, doch tiefe Wunden tragen sie in ihrem Herzen, schwere Fragen.

Levis Geschichte, eine von vielen, so besonders, rührend. Er war noch jung als sein Vater fortgegangen ist, seine Mutter hat all ihre Probleme mit Alkohol übergossen. Levis hat den Grimm und die Betrübtheit seiner Mutter täglich in unbegründeten Schlägen zu spüren bekommen. Kleinste Fehler und Fehler, die keine waren, wurden mit Prügel bestraft. Er hat das Fischerhandwerk noch von seinem Vater gelernt, sich seinen eigenen Unterhalt verdient und mit zwölf seine Tasche gepackt, ist durchs ganze Land gezogen, bis nach Dar Es Salam. Er kämpft mit dem Leben auf der Straße. Wie viele andere Straßenkids findet er schnell zu den kostenlosen Mahlzeiten von Tabea‘s Suppenküche. Er erfährt von Gott und entscheidet die Schule neu zu versuchen. Unter Tabea’s fürsorglicher Hand, ihrer von Gott getragener Liebe, beendet er die Schule erfolgreich, macht sein Abi, studiert irgendwas mit Wareneinfuhr, hat seine eigene Wohnung und lebt von seinem eigenem Geld und spendiert mir ein Sodagetränk, während wir vor einem Laden auf einer Stufe sitzen und er mir von seinem Leben erzählt. „Das Leben ist tough“ sagt er. Nach etwa neun Jahren eigenständigen Überlegen setzt er sich in den Bus zu dem Ort, den er mit Schrecken in Erinnerung hat. Es ist noch das gleiche alte Haus, trotz vieler Jahre erkennt sie ihren Sohn und nimmt ihn mit Freudentränen, in den vergebenden Arm. Sie hat das Trinken aufgegeben und Glauben gefunden und Versöhnung hat Sohn und Mutter zusammen geführt. Welch Gefühle muss eine Mutter verspüren, einen längst tot, vergessenen, nun erwachsenen Sohn in den Armen zu halten?

Immer wieder hört man mysteriöse Zaubergeschichten, die man allzu schnell belächelt und nur schwer Glauben schenkt. Unsere Nachbarin schreit gelegentlich die Geister aus den Menschen heraus, doch viel bekommt man nicht zu sehen. Doch so viele haben sich dieser düsteren Macht hingegeben - Menschen verlieren Söhne, Männer ihre Frauen, viele ihr eigenes Leben. So viele Menschen schenken diesem Animismus Glauben und suchen vergeblich Heil, Wohlstand, Vergebung, Leben. Doch so öffentlich, so schamlos wie an diesem einem Tag, wurde uns diese Zauberkunst noch nicht präsentiert. Zum Genuss unseres freien Tages begeben wir uns in den Fluss im Rockgarden, der friedlich von Fels zu Fels hüpft. Wir scheinen von Menschen verlassen zu sein, bis sich eine Gruppe bedenkend naht. Ich begrüße die beiden Männer, von denen mir einer einen düsteren Blick entgegen bringt. Eine nun in Khanga gewickelte Frau begibt sich ins kalte Wasser und setzt sich auf den Grund. Dem mitgebrachten Huhn wird der Kopf abgeschnitten und kopflos, blutend schwenkt er es um das Haupt der Frau. Unter Zaubersprüchen wird sie mit Blut besprengt und immer wieder mit Wasser übergossen. Mein Geist hält nicht still und ich begebe mich ins geistliche Gefecht. Mit aufgebrauster Seele stehe ich auf dem nächsten Felsen und gebiete Einhalt […]. Ich rede mit der Frau, während sie das Ritual über sich ergehen lässt, werde mit Handbewegungen von dem Mann mit dem düsteren Gesicht verscheucht, worauf ich nicht reagiere. Die Spontanität meines Handelns lässt mich nur gebrochen Kiswahili kontern und vorwurfsvoll versuche ich die Sinnlosigkeit ihrer Taten zu verdeutlichen, doch gelassen lassen die Zäubermänner nicht mit sich reden, beenden ihr Ritual und verlassen den Ort. Im Gebet sprechen wir Leben aus. Mein Handeln lässt mich nur unbefriedigt und ich frage mich, was ich mehr tun könnte.

Seit meiner Ankunft habe ich Frieden geschlossen mit allen neun Hunden, selbst Freundschaft hat sich entwickelt, doch der eine aus Unzucht entstandene Hund Sally, hat Kindheitstrauma an mir versucht zu verarbeiten. Alle Friedensversuche mit Knochen und Fleisch hat sie knurrend abgelehnt. Wir lebten im Waffenstillstand, begrüßten uns nicht und spaßend wünschte ich ihr den Tod. Vor einigen Wochen habe ich sie begraben. In Trübsal lag sie vor unserem Eingang ohne Lebenshauch. Welch Ehrfurcht gesprochene Worte doch verdienen. 

Ein Kampf um Wasser – vor einigen Tagen ist uns das Wasser komplett ausgegangen und wir standen fast mit trockenen Mündern vor dem Wassertank. Der Wasserhahn hat lange kein Wasser mehr gegeben und die Tanks wurden bis zum Grund ausgeleert, bis ich mit Eimer und Seil das verdreckte Wasser vom Boden kratze. Völlig verschwitzt und verdreckt vom Fußballspiel finden wir dann Erlösung in Tina’s Tank. Man lernt schätzen, was vergeht. Leben vergeht. Ich gehe.
Meine Motorradfahrstunden werden immer spannender mit jedem Mal, wenn ich meinen Stammpikidriver anrufe, um mir einen Ride bis zur Hauptstraße zu geben. Ich genieße diese gesetzliche Freiheit oder Freiheit von Gesetz, wo es keinen stört, dass weißer Schwarzfahrer, kein Führerschein für dieses, viel zu schnelle Fahrrad, in der Tasche hat. „Helm“ ist ein Fremdwort. Ich fahre frei.

Eine Fahrt mit dem Landcruiser. Bei jedem Versuch, das Auto zu starten, finde ich Freunde in den umstehenden Leuten, die mir den Wagen anschieben müssen, weil er an Altersschwäche leidet und bei jeder Pause in den Tiefschlaf fällt. Er bewahrt dich vor jedem Stolz und schafft Belustigung, für all die Leute, die den Weisen dabei zuschauen, wie sie Geländewagen durch die Gegend schieben.
Eine Begegnung mit einem Verrückten. Er bemerkt uns, setzt sein Gepäck auf den Boden und spricht uns an, steigert sich in seinen Monolog bis zu Aggression und will sie an uns abladen. Die Aufmerksamkeit der Menge ist gewonnen. Wir steigen bescheiden ins Auto, bringen noch letzte Leute zum Lachen, als ich ihm den gewohnten ersten Meter vorschieben muss. Er sagt, er hat seine Mutter vergewaltigt. Er zeigt uns sein männliches Glied als Beweisstück. Ich habe keinen Zweifel. Wir fahren los. 

Zurück aus dem Rückblick, blicke ich auf die alten Kolonialbauten mit den Kleingeschäften im Vordergrund, die einfach alles verkaufen. Ein paar Sofas vor dem einem Laden, machen es zu einem Möbelgeschäft und wer ein paar Werkzeuge verkauft, leitet einen Baumarkt. Die Sonne zieht über den Dächern hinweg und es wird dunkel. Ich zahle mein Soda und springe in den noch fahrenden Daladala.


Montag, 4. Juni 2012

Verändert gehe ich.


Lovely Agape Children
Sieben Wochen bleiben mir noch. Ich erinnere mich, wo noch ein ganzes Jahr vor mir lag, eine neue Sprache, fremde Menschen, stechende Hitze – ein unbekanntes Land hat mir die Hand gereicht. Das Jahr geht nun zu Ende, die Sprache gehört mir, Fremde sind meine Freunde, die Hitze ist ein schöner Sommer und ein vertrautes Land umarmt mich und gibt mir das Gefühl von Heimat. Mit jedem Tag habe ich alles mehr und mehr lieben gelernt und mich immer mehr dieser Welt hingegeben. Die Unordnung im Straßenverkehr ist Bewegungsfreiheit, der zerfallende Häuserbaustil hat künstlerische Eigenart und jede Verspätung spiegelt diese Gelassenheit wieder, die in Deutschland im Stress untergeht. In dem Hotel, wo ich gerade diesen Text verfasse, bin ich Stammkunde und mit den 28 Kids, deren Namen ich mir anfangs nur schwer einprägen konnte, teile ich Liebe und Leben. Genau diese Beziehungen machen mir das Gehen so schwer. Ein Jahr lang war ich großer Bruder, Freund und selbst Vatergefühl hat sich in mir entwickelt. Ein Jahr lang wurde ich wirklich gebraucht. Ich bin ein Teil ihres Alltags, ihres Lebens geworden und sie haben mein Herz erobert. Es fällt mir schwer sie zurück zu lassen und diesen Spalt im Herzen einzuschlagen. Während es nicht mehr um mich ging und ich für andere gelebt habe, habe ich etwas gefunden, was ich nicht mehr verlieren will – mich selbst. Ich bete, dass alte Umgebung, altes Umfeld, nicht altes Ich aus mir hervorrufen und sich meine Welt wieder nur um mich selbst dreht.
Ich versuche den Unterschied festzumachen, den ich in diese Welt gebracht habe. Ein paar Fenster im Kinderdorf schließen sich besser, ein paar Fliesen machen den Boden schöner, ein Solarsystem erfüllt nun seinen Zweck, eine Handvoll Kinder spricht ein wenig besser Englisch und vielleicht war auch mein Bemühen um ein Verständnis für nachhaltiges Leben im Umgang mit Wasser und Müll nicht ganz erfolglos, doch Afrika ist immer noch Afrika. Die Armut ist dieselbe, Straßenkinder sind immer noch Straßenkinder, Mamas kämpfen sich mit ihren Kindern durchs Leben mit der Hand im Mund, Wasser wird immer noch in Eimern über Kilometer auf dem Kopf transportiert und sie sitzen immer noch im Dunkeln.
Doch ein Jahr lang mussten sie einen Eimer weniger schleppen und zusammen saßen wir im Dunkeln, während wir mit tiefgehender Gemeinschaft mit der Hand im Mund, aßen. Ein Jahr lang habt ihr mir in der Armut gezeigt, dass es um so viel mehr geht, als das, was man hat und dass wahrer Reichtum sich in dem zeigt, was man ist. Ich kam um zu verändern, verändert gehe ich.
Liebe macht den Unterschied. 28 Kinder sind von mir geliebt und Liebe gibt Freude am Leben. Einen weiten Blick habe ich gewonnen. Es ist eine Sache, etwas zu wissen und eine andere es selbst zu erleben. Eine unglaubliche Bereicherung meiner selbst ist mir diese Zeit hier und mein Wissen über das Leben hier, ist nun erlebtes Mitgefühl. Ich habe ein neues Verständnis für den Menschen und mein Herz ist größer. Diese liebgewonnene Welt lasse ich mit weinendem Auge zurück, während das andere Auge vor Freude strahlt, da eben nur noch sieben Wochen mich von meinen geliebten Freunden und Verwandten trennen. Neu begebe ich mich in ihre Arme und neu will ich sie lieben und für sie leben in Freude und Trauer. Ich bin gespannt wie alte Welt neu auf mich wirkt und was sich in einem Jahr bewegt, wenn man abwesend war. Ich hoffe sehr auf Freude in den Herzen zu treffen und Liebe in Gemeinschaft.
Doch zunächst einmal heißt es, bewusst sieben Wochen zu genießen und nochmal vollkommen hier zu sein. Wie man genießen kann, wenn man weiß, dass man geht. Man müsste ständig gehen.

Samstag, 19. Mai 2012

Gestillte Reiselust (part 2)

Es ist schwer zu beschreiben, doch es hat etwas Herz reizendes sein Leben in eine Tasche zu packen und sich ohne großen Plan auf den Weg zu begeben. Von allen Sorgen, Pflichten und Erwartungen befreit, geht es um das, was du siehst und den Eindrücken und Gefühlen, die du dabei fühlst. Reisen lässt dich Weite dieser Welt verspüren, die das Herz weitet. Dabei wird die Welt immer kleiner und dein Herz größer mit jeder Lebensgeschichte, die dein Herz benetzt. Wenn die Grenzen der Weltsicht sich strecken, wird der mit Gott verbindende Faden immer dichter gezogen, wenn man erkennt, dass diese Welt sich nur dreht, weil Er der Mittelpunkt ist. Je ferner man sich auf diese Welt bewegt, stellt man fest, dass man nicht von dieser Welt ist. Ich lehne mich zurück in den Sitz des Überlandbusses, schließe meine Augen mit diesen Worten und genieße die befreiende Weite.

Morogoro Busbahnhof - NEEMA YA BWANA (Gnade des Herrn)

Nach einem gemütlichen Abend in Iringa, einer wirklich angenehmen Stadt, habe ich Mbeya erreicht. Die Stadt scheint mir ein wenig unsympathisch und alles ist irgendwie von einer erdrückenden, düsteren Atmosphäre getragen, unterstützt durch die Kälte und dichte Wolken. Das Hotel ist riesig und extrem heruntergekommen. Ich schlender durch die leicht belebte Stadt, esse im unscheinbaren Sombrerohotel unglaublich gutes Essen, schließe den Abend in einer dunklen Ecke auf der Terasse mit Bier und Kings of Leon im Ohr ab und freue mich auf Morgen.

Dismas und ich in den Udzungwa Mountains

Sanje Waterfalls

Afrikas Weite

Sanje Waterfalls

Mang'una
 Der Stadt entflohen sitze ich am Ngozikrater mit Blick über den etwa 2 km großen See, über dem graue Regenwolken sanft hinüberziehen. Mit grün bewachsene Steilhänge umschließen das Gewässer. Der Weg bis hierhin war beschwerlich, feucht, glitschig und lang und führte mich durch dichtes Buschwerk und einer atemberaubenden Vegetation. Durch Gebüsch schlagend, kriechend und über Bäume kletternd, bin ich nach einigen Stunden zu diesem verlassenen Ort gedrungen. Nur Vogelgezwitscher, das Summen einiger Fliegen und das Grillen irgendeines Insektes sind zu vernehmen. Nicht weit entfernt von mir hat irgendein Großtier mir durch lautes Gröllen einen Schrecken eingejagt. Für kurze Zeit war noch ein lautes Schreien des am Ufer lebenden, von mir weit entfernten Safwevolkes zu vernehmen. Ich bin völlig eingeschlossen von Wildnis. Die grauen Wolken drücken ein wenig und mir ist kalt, doch der Ausblick über Tansanias vielleicht schönstem Kratersee ist traumhaft. „Awake, my soul“ singt mir Mumford and Sons bei diesem Blick ins Ohr. Das Jagdmesser an meiner Hüfte gibt mir Sicherheit, auch wenn ich keinen blassen Schimmer habe, wie man es gescheit einsetzt, wenn denn wirklich Gefahr lauert. Doch ich stelle fest, dass mein Instinkt mich schnell danach greifen lässt. Der einzige Mann auf dem Weg, begegnet mir genau so geschockt, wie ich ihm und nach kurzem Begrüßen lass ich meine Hand vom Griff und er senkt seine Machete. Auf dem Rückweg treffe ich wieder auf den selben Mann, der sich Seil aus der Rinde abgeschlagener Äste für sein Haus herstellt. Er erklärt mir sein Handwerk kurz und ich frage ihn, ob ich ein Foto schießen darf. Völlig überzeugt lehnt er ab und erklärt mir auf Nachfrage, dass er Angst hat. Dieses Blitzgerät muss von Geistern befallen sein. Bevor ich gehen will, bettelt er nach Geld für ein Soda. Ich frage, ob er sich für Geld ablichten lassen würde, um zu schauen, wie ernst er es meint. Doch kein Geld nimmt ihm die Angst vor den Geistern, die ihn nach einem Foto befallen und ich schlender mit meinem Wanderstock davon und kämpfe mich per Anhalter bis zur Hauptstraße.

Isimilia Stone Henge

Mountains and Me

„Welches ist das ärmste Land der Welt?“ Ich sitze im Bus, während eine Radiosendung für Kinder mit Fragen zur Allgemeinbildung, im Radio läuft. Überzeugt antwortet ein kleines Mädchen: „Amerika!“ und erntet Gelächter der Moderatorin und der Insassen im Bus. Auch ich lache über diesen groben Fehler, bis ich verstehe welch große, traurige Wahrheit dieses kleine Mädchen doch unbewusst ausgesprochen hat - so arm, kann man bei großem Reichtum doch sein und so reich bei schwerer Armut. Eine erwachsene Frau, mit Kleinkind, fordert beim Aussteigen ihr Rückgeld von 200 Shilling (etwa 10 Cent) und fängt eine Diskussion mit dem Kondakter an, der überzeugt das Geld für das Kleinkind berechnet. Verbal steigern sie sich hinein, bis sie handgreiflich wird und sie sich aggressiv um 10 Cent schlagen. Wir fahren zur nächsten Polizeistation, wo ich den Bus wechsel, um meinen Anschluss nicht zu verpassen.

Farmer

Iringa Busbahnhof

In den Regenwäldern zum Ngozi Kratersee

Ngozi Kratersee

In the dschungle the lion sleeps tonight.
 Nach zwei Stunden Warten auf den Bus, zwei Stunden im Bus, geht es endlich Richtung Lake Nyasa. Der Antikwert des Busses übersteigt alles zuvor Gesehene und das Geklapper, lässt dich deine eigene Stimme nicht mehr hören. Dass wir auf halber Strecke mit Reifenpanne landen, überrascht mich kein bisschen. Mbeya’s dunkle Atmosphäre hing noch an mir und die Fahrt reißt an meinen Nerven - Sitznachbarn sind unsympatisch, Ipod leer und dann dieses ständige Warten auf jedes Huhn. Ich hoffe nur auf die Ankunft und eine Landschaft, die mir die Freude wieder gibt. Doch Gott sei Dank, werden die Insassen im Laufe der Fahrt ausgetauscht und bald habe ich einen christlichen Chor an Bord, die mir mit ihrem Gesang das Herz weich machen. Die Menschen haben etwas Freundliches und Zuvorkommendes an sich. Der Sonnenuntergang und die aufragenden Livingstonmountains in der Ferne geben mir mein Lächeln zurück. Nach langer, beschwerlicher Fahrt, schönem Chorgesang und ein paar neu gelernten Wörtern in der Stammessprache bin ich in Matema, im Süden des Landes am Lake Nyasa. Mein Herz hüpft bei dem Anblick und dem perfektem Zusammenspiel von Berg, See, Sonne, Strand, Wolken und Mensch. Ich habe ein Bungalow direkt am Strand und mir ist nach Bleiben. Die Hotelmitarbeiter werden mir schnell zu Freunden und ich teile mein Glück mit ihnen bei gemeinsamen Essen und gemeinsamer Wandertour zu einem weiteren unglaublich schönem, verstecktem Wasserfall.

Matema

Fischer

Geteiltes Glück am fallenden Wasser

...
 „Macht die Anker los!“ Lautes Geschrei am Hafen in Südafrika. Die Herzen der Expeditionsbeteiligten klopfen schneller und das Schiff bricht seinen Weg an, in den Norden des Kontinentes. Dem Strom entlang vergehen unzählige Tage. Es ist die Suche nach Festland, nach dem Ort deiner Selbst. Sambia ist passiert und sie treten in das große Gewässer des Lake Nyasa. 500 km fahren sie über den 50 km breiten See, bis sie die nördliche Küste erreichen. 1891 entscheiden sie, dass Matema der Ort des Missionsursprungs sein soll. Pläne werden entworfen und eine Kirche wird bis zum Jahre 1896 fertig gestellt. Im Zusammenspiel mit sozialen, ärztlichen Dienst, getragen von Liebe, wird das Gebiet mit Christentum besprengt und man spricht bis heute von Matema als dem ersten Missionsort Tansanias. Das alte Gebäude läuft immer noch unter gleicher Mission und bietet mir heute Unterschlupf am atemberaubenden See. 121 Jahre nach Ankunft erster Missionare, die noch mit Stammeshäuptlingen verhandelten, scheint mir alles noch so unberührt. Die Missionierung hat zwar ihre Früchte getragen und die Menschen sind weitestgehend christlich geprägt, doch so unentdeckt scheint mir diese Traumlandschaft. Die Stadt, direkt an den Bergen, die nach dem Missionaren und Entdecker Livingston benannt wurden, ist eingebettet in fruchtbarer Landschaft mit Bananenstauden, Mangobäumen und Kakaopflanzen. Für einen klaren Kopf laufe ich dem Strand entlang. Ich treffe nur auf ein paar Fischer, die traditionell mit Kanu und Netz ihr Abendbrot verdienen. Ansonsten scheint diese Küste so unberührt, wie sie die Missionare vor über hundert Jahren vorgefunden haben. Der Strand ist mit Bambushölzern übersät, mit Grüngewächs am Rand. Nur drei Hotels haben sich an der gesamten Küste durchgesetzt. Ich laufe bis ich eine Flussmündung erkenne. Mein Instinkt schaltet auf Gefahrenwitterung und ich male mir aus wie Krokodil und Nilpferd in der Dunkelheit des vom See aufgebrausten Zuflusses lauern. Vorsichtig und umblickend nähere ich mich mit bedachten Schritten dem Flussufer, um einen Blick hinauf zu gewinnen. Die Sonne zieht gerade am Ende des Flusses ihre letzte Bahn und malt die Wolken und Himmel schön rot an. Ich bin noch immer gespannt und genieße es, diesen Blick als einziger Tourist zu bewundern. Nach einigen Minuten bemerke ich sie. Langsam und vorsichtig nähert sie sich mir, in afrikanischer, traditioneller Kleidung, trägt sie ein eingewickeltes Gepäckstück auf dem Kopf sicher bis zum Ufer und legt es in den Sand. „Habari za leo?“ Wie ist dein Tag? versuche ich ihr die Furcht zu nehmen. „Nzuri“ antwortet sie überrascht von meinem sicheren Kiswahili. Ich stelle weitere Fragen über Herkunft und Zielrichtung, um ihr letzte Besorgnis zu nehmen. Was hat ein Weißer zur Dämmerungszeit an einer verlassenen Flussmündung zu suchen? „Gibt es Krokodile und Nilpferde hier am Flussufer?“ frage ich sie. „Ja, hast du keine Angst?“ „Solange sie mir nicht in die Nähe treten und sich mir nicht zeigen, noch nicht. Fürchtest du sie denn?“ „Selbstverständlich. Habt ihr Weißen denn keine Angst?“ „Man fürchtet nicht, was es bei uns nicht gibt.“ Der Fluss ist an dieser Stelle nur etwa fünf Meter breit, doch ihre Reise ist hier erstmals beendet. „Faraja“ nennt sie mir ihren Namen. Ihr Blick ist unschuldig und ihr Lächeln verlegen. Immer wieder greift sie tief, wenn sie mir in die Augen blickt. Da sie die Schule gerade erst beendet hat, wird sie nur ein wenig jünger sein als ich. Ihre Mama erreicht nach einiger Zeit dasselbe Ufer und ich spreche mein Beileid als, nachdem sie mir verdeutlicht haben, dass sie gerade von der Beerdigung ihres Opas kommen und schon seit zwei Stunden am Strand entlang traben. Wenn der Fluss überwunden ist folgen weitere Stunden. „Wie kommt ihr über den Fluss?“ frage ich die hübsche Faraja, die sicherlich nicht schwimmen kann. „Wir warten bis ein Boot uns hinüberfährt.“ „Wann soll dieses Boot hier ankommen?“ „Vielleicht gar nicht.“ Bei Letzterem bleiben sie auf dieser Seite des Flusses und schlafen bei Fremden. Mein scherzhaftes Angebot sie über den Fluss zu tragen, da ich ein recht guter Schwimmer bin, lehnen sie belustigend ab. Ihre Mama spricht ihre Bewunderung über mein Kiswahili aus und sagt einige Sätze zu ihrer Tochter Faraja in ihrer Stammessprache. Faraja blickt mir tief in die Augen und meint: „Komm mit zu uns und schau dir an, wie wir leben.“ Mit dem Bewusstsein, dass sie große Hoffnung auf Wohlstandsleben in weiße Hautfarbe setzen, lehne ich ihr Angebot ab und mache mir klar, dass sie mir mit leichtem Akt zur Frau gegeben werden könnte. Nun warten wir an diesem mysteriösen Fluss. Nach einer halben Stunde trifft tatsächlich jemand ein. Faraja und ihre Mutter besteigen das Boot und ich drücke sie in den Fluss. Sie setzen über und Faraja gibt mir ihren letzten Blick mit leichtem Lächeln.

Ich laufe den langen Weg in der Dunkelheit zurück und wundere mich wie sehr diese Welt von Mysterien getragen ist. Ich unterhalte mich mit eintreffenden Fischern über ihren heutigen Fang und spüre innere Freude, die mir durch diesen unberührten Ort bereitet wird. Es fühlt sich so an, als gehöre diese Welt mir alleine und als wäre ich ihr erster Entdecker. Ich bade mir kurz den Schweiß im See aus und trete in das vor 120 Jahren errichtete Hotel. Ich genieße die Gemeinschaft der neugewonnen Freunde, esse traditionell Ugali auf Mkekateppich unter Öllampenlicht, während wir herzhaft lachen und scherzen. Meine zwei Bier mit Radio Ipod unter Sternenhimmel geben dem Tag den letzten, schönen Hauch.

Ich beginne den Tag mit einem Lauf am Strand in der aufgehenden Sonne. Ich unterhalte mich mit dem Fischer, der mir sein Handwerk erklärt. Jeden Tag verbringt er die Morgenstunden damit, sein Netz aufzuwickeln und den Rest des Tages in der weiten See. Jedes Jahr in der Zeit von Dezember bis Juli, verdient er sich sein Geld mit den gefangenen, verkauften Fischen. Sein Leben lang ist er Fischer und sein Leben lang wird er einer sein. Ich laufe am Strand entlang und treffe auf Väter mit Söhnen, die sich für die weite See vorbereiten. Ich grüße sie mit „Ogunire“ in ihrer Stammessprache.
Ein Handwerk, das über tausenden von Jahren besteht und damals genau so ausgeführt wurde wie heute. Die Väter der Männer waren Fischen, ihre Söhne werden Fischer sein. Vor etwa zwei Tausend Jahren läuft ein Mann, ein Gott, so wie ich am Ufer entlang und trifft auf solche Fischer. „Kommt her, folgt mir nach. Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Welch Kraft müssen diese Worte gehabt haben und welch festen Ausdruck sein Blick, dass diese zwei Männer alles liegen lassen haben, ihre Familie und ihr eigenes Handwerk zurück gelassen haben und diesem Unbekannten, Fremden, dessen Namen sie nicht einmal kannten, bei so wenigen Worten, gefolgt sind. Er hatte etwas Tiefes, etwas Höheres in sich, etwas, dass ihre Herzen berührt hat und sie ihr ganzes Leben hingeben lassen hat. Zu zwölft sind sie nicht von seiner Seite gewichen, schauen ihm beim Reden zu, beim Heilen, beim Leben, bis zu seiner tödlichen Erniedrigung. Zwölf junge, ungebildete Männer, von denen einer seinen Verrat an diesem Mann nicht ertragen konnte und sich selbst den Tod gab, ziehen sie um die Welt und wie ein Lauffeuer fangen die Menschen in aller Welt an zu verstehen, dass dieser gekreuzigte Mann ein auferstandener Gott ist. 1891 erreicht eine Expeditionstruppe das Ufer, an dem ich entlang laufe, mit derselben Botschaft und 2012 trage ich diese Botschaft am selben Ufer mit mir herum. 
Ich bin erneut bis zu dem Fluss gelaufen und treffe auf eine Frau mit Baby, die gerade von einem Fischer übergesetzt wird. „Guten Morgen“ grüße ich sie, als sie auf meiner Seite angekommen ist. Erschöpft und verschwitzt von Laufen, frage ich sie wie lange sie auf der anderen Seite gewartet hat. „Seit gestern Abend“ antwortet sie mir und lässt mich sprachlos stehen und geht ihres Weges. Fünf Meter dunkles, tieferes Mündungsgewässer, in der jegliche Legenden hineingesteckt wurden von fressenden Krokodilen und reißenden Nilpferden und Geistern, die einen hinunterziehen, machen den Bewohnern so große Angst. Ich werfe einen Blick auf das andere Ufer und will die Legende nicht auf die Probe stellen. Ich gehe langsam, in Gedanken versunken, zurück, an den Fischern vorbei, die seit tausend Jahren ihre Netze auswerfen.

Fischer

Traum
 Zum Abschluss meiner Reise ertrage ich etwa 20 Stunden Rückreise auf der letzten Sitzbank eines engen, alten Busses. Meine Sitznachbarn sind ein sambisches, junges Ehepaar, die kein Kiswahili sprechen, dafür aber fließend Englisch. Wir führen wirklich interessante und prägende Unterhaltung über Gott und die Welt und ich gewinne zwei wirklich nette Menschen zu Freunden und habe ein Schlafplatz in Sambia sicher. Ein verkehrtes Bild, wenn der Mzungu zwei umherirrenden Afrikanern mit der Sprache zur Hand gehen muss. Um zwei Uhr in der Nacht treffe ich Zuhause ein und verdaue alles Erlebte in einem langen Schlaf, bis in den Mittag hinein. Nach gestillter Reiselust, bin ich bereit für die letzten knappen zwei Monate in meiner afrikanischen Heimat.

Happiness is real when shared.